»Die Wohlfühlqualität geht verloren«
Main-Echo Pressespiegel

»Die Wohlfühlqualität geht verloren«

Energie: Schöllkrippener Bürgermeister und Investor stoßen mit Solarpark-Plänen vor Ort auf viel Kritik - Bürgerinitiative gegründet
Schöllkrippen/Sommerkahl  Es ist Don­ners­ta­g­a­bend und Sc­höllkrip­pens Bür­ger­meis­ter Marc Ba­bo (CSU) steht vor ei­ner schwie­ri­gen Auf­ga­be: Wo sich heu­te in der weit­ge­hend un­be­bau­ten Hü­gel­land­schaft zwi­schen Som­mer­kahl, des­sen Orts­teil Vorm­wald und Sc­höllkrip­pen-Ernst­kir­chen Äcker und Kuh­wei­den be­fin­den, soll in den nächs­ten Jah­ren ein 24 Hektar gro­ßer So­lar­park ent­ste­hen. Ei­ne Orts­be­ge­hung und In­for­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung mit dem In­ves­tor sol­len an die­sem Abend die Be­völ­ke­rung von dem Pro­jekt über­zeu­gen. Doch die Geg­ner ma­chen ih­rem Är­ger Luft - seit Au­gust gibt es ei­ne Bür­ger­in­i­tia­ti­ve.

Mit 110 Bürgern im Schlepptau - hauptsächlich Schöllkrippener und Sommerkahler - und einem Bebauungsplan im Gepäck geht es am Donnerstagabend raus aufs Feld. Schöllkrippens Bürgermeister Babo präsentiert auf der Anhöhe im unteren Teil des Orts zusammen mit Bernd Büttner, Geschäftsführer des Investors Main-Spessart Solar, das Mega-Projekt. Er zeigt unter anderem, wo genau die geplante Freiflächen-Photovoltaikanlage entstehen soll.

Von 24 Hektar ist derzeit die Rede. Noch im vergangen Jahr war mit 40 Hektar eine fast doppelt so große Fläche eingeplant (das Main-Echo berichtete). Nun fällt ein Teil der Fläche, die an das Schöllkrippener Ortsgebiet grenzt, weg. Auf Nachfrage der Redaktion erklärt Bürgermeister Babo dazu: »Die obere Fläche ist doch sehr exponiert und noch einsehbarer als der untere Teil.« Mit dem Wegfall wolle man der Gemeinde Sommerkahl entgegenkommen. Außerdem sei die untere Hälfte wirtschaftlicher als die obere.

Nach dem Rundgang durch die noch unverbaute Natur geht es in den Saal »Neue Zeit«: Dort versuchen Babo und Büttner, den Skeptikern ihre Zweifel zu nehmen. Die Bürger sollen laut den beiden von dem Projekt profitieren können - auch die der Nachbargemeinden. Büttner verspricht günstigeren Strom für alle im Umkreis von 50 Kilometern um die PV-Anlage. Zwar werde der Strom erst in das Umspannwerk Weyberhöfe bei Sailauf eingespeist. Von dort fließe der Strom aber über das Netz zurück in den Kahlgrund, wie Babo erklärt. Außerdem sollen Bürger selbst in das Projekt investieren können.

Zweifel in den Reihen der Bevölkerung gibt es etwa in Fragen einer möglichen Blendung. Jens Teichelmann, Fachmann für Lichttechnik, sagt dazu: In keinem der nahe gelegenen Wohnhäuser würden Reflexionen durch die schwarzen PV-Module auftreten, die als Blendung zu bewerten sind.

»Was erneuerbare Energien angeht, gibt es im Landkreis einen großen Nachholbedarf«, sagt Büttner und schiebt nach: »Es geht auch uns was an, die Energiewende voranzutreiben.« Sein Appell fällt freilich nicht auf fruchtbaren Boden. Seine Kritik, dass noch kein einziges Windrad im Kreis gebaut sei, quittieren die Bürger mit großem Applaus.

Bis zuletzt bleibt die Stimmung angespannt im Saal. Zeit, das Mikro bei einer Fragerunde durch die Reihen zu reichen, gibt es nicht: Der erste Sommerkahler steht schon auf der Bühne, um seinem Ärger Luft zu machen. Immer wieder kommt die Frage auf, wie das Vorhaben verhindert werden könne. Es gebe zwei Beteiligungsrunden, heißt es vom Rathauschef. Der Gemeinderat müsse sich dann in dieser Zeit mit den Stellungnahmen der Bevölkerung befassen.

Immer wieder betont er: »Die Pläne stehen noch ganz am Anfang.« Die Frage, wie viele Stimmen es brauche, damit nicht gebaut wird, bleibt jedoch unbeantwortet. Für Diskussionsstoff sorgt auch die Stromtrasse zu den Weyberhöfen: Wo läuft die Trasse lang? Werden unsere Privatgrundstücke dafür genutzt? Büttner bleibt vage: »Wir können niemals den kürzest möglichen Weg nehmen. Erstrangig gehen wir über öffentlichen Grund.«

Am Ende des Abends überwiegt die Skepsis: »Wir sind für Photovoltaik, aber bitte auf den Dächern. Die sollen unser schönes Landschaftsbild in Ruhe lassen«, sagt zum Beispiel Jasmin Fries, Mitbegründerin der neuen Bürgerinitiative im Gespräch mit der Redaktion. 500 Unterschriften habe man bereits gesammelt. Die Bevölkerung hege enorme Zweifel, dass nicht doch schon mehr passiert sei als behauptet. Gutachten, wie etwa zu Natur- und Bodenschutz seien schon längst erstellt. »Hier werden still und leise Pläne geschmiedet«, sagt Fries. Eine ihrer größten Sorgen: »Die Wohlfühlqualität geht verloren.« Schließlich stehe der Solarpark nur 300 Meter von ihrem Haus entfernt. Auch für die Gastronomie in Vormwald sieht sie erhebliche Nachteile - mit einem kaputten Landschaftsbild kämen auch keine Touristen.

Zahlen und Fakten: Solarpark Ernstkirchen

Für die vom Markt Schöllkrippen gemeinsam mit der Bessenbacher Firma Main-Spessart Solar geplante Photovoltaik-Anlage zwischen Vormwald, Sommerkahl und Schöllkrippen-Ernstkrichen ist eine Fläche von 24 Hektar vorgesehen. 17 Hektar davon fallen nach derzeitigem Stand auf eine dreigeteilte Betriebsfläche zurück. Den Rest bilden Grün- und Ausgleichsflächen sowie ein Streifen für Wildwechsel. Maximal dreieinhalb Meter soll die Anlage hoch sein. Die Kosten für das Projekt schätzt der Investor auf 21 Millionen Euro. 29 Millionen Kilowattstunden Strom soll der Solarpark im Jahr erzeugen können. 17.000 Tonnen CO2 ließen sich dadurch jährlich einsparen. Der Gewinn soll zwischen Main-Spessart Solar und dem Markt Schöllkrippen zu gleichen Teilen aufgeteilt werden. Wann der Bau im Falle einer Genehmigung starten könnte, ist noch nicht abzusehen. Offen bleibt auch der Verlauf der notwendigen Stromtrasse. roli

22.09.2023
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