Kreatives aus Wiesen von janz weit draußen
Main-Echo Pressespiegel

Kreatives aus Wiesen von janz weit draußen

Brauereien am Untermain: Zum Dörfchen gehört schon seit 1888 ein Brauhaus - Ina und Florian Elsesser führen es in vierter Generation
Wiesen  Ein Bier mit­ten aus dem Spess­art. Von dort wo sich Fuchs und Ha­se Gu­te Nacht sa­gen. Wie­sen - rund 1000 Ein­woh­ner und j.w.d. Janz weit drau­ßen. Kaum ein Städt­chen in der Nähe. Von ei­ner Stadt ganz zu schwei­gen. Da­für Wald und Wie­sen. Und doch: Im Dörf­chen Wie­sen steht ein Brau­haus. Di­rekt an der Orts­durch­fahrt.

Ein gar nicht mal so kleines. Optisch nicht und auch nicht, wenn man hineinschaut. 120 Tonnen Malz und eine Tonne Hopfen werden jährlich verarbeitet. Sechs Festangestellte und sechs Aushilfen verdienen in der Brauerei ihr Geld, erklären Ina und Florian Elsesser. Das Ehepaar führt das traditionsreiche Unternehmen in vierter Generation seit 2015. Seit 111 Jahren ist es in Familienbesitz. Gegründet wurde es indes schon 1888. Forstmeister und Pfarrer ersannen die Idee und hoben das Bürgerliche Brauhaus Wiesen als Aktiengesellschaft aus der Taufe. Mit eher mäßigem Erfolg, wie die auf der Homepage der Brauerei hinterlegte Firmenchronik erzählt. 1913 wird das Unternehmen liquidiert und Christoph Hartmann erwirbt es, der Urgroßvater von Ina Elsesser.

Die Zeiten sind stürmisch. Zwei Weltkriege stellen sich dem wirtschaftlichen Vorankommen des Brauhauses immer wieder entgegen. Aber Christoph Hartmann und seine Nachkommen lassen sich nicht unterkriegen. Im Gegenteil: Sie investieren in den 1950er-Jahren in Erneuerung und Erweiterung des Betriebes. Fortschritt statt Stillstand. Diese Philosophie verfolgen auch Florian und Ina Elsesser. 2017 investierten sie in eine neue Flaschenwaschmaschine, 2022 erneuerten sie Heißwassertank und Würzkühler. 2021 und 2023 ließen sie eine Photovoltaik-Anlage montieren. Nachhaltigkeit und Ressourceneinsparung spielen eine große Rolle, erklärt Florian Elsesser.

So werden unterdessen in Wiesen elf Biersorten in der eigenen Abfüllerei auf Flaschen gezogen und in einem Radius von rund 70 Kilometern an Gaststätten, Getränke- und Lebensmitteleinzelhandel ausgeliefert - bis hin nach Frankfurt, Miltenberg, Schlüchtern und Würzburg. Klassiker wie Pils, Export, Helles und Weißbier. Aber auch Wuchtbrummen mit über sieben Prozent Alkohol wie den Räuberbock in der Winterzeit und den Frühlingsbock in der Fastenzeit. Dem Bockbier zum Trotz: Der Trend zu weniger Alkohol geht auch an dem Spessart-Brauhaus nicht vorüber.

Zum Sortiment gehören auch sechs verschiedene alkoholfreie Getränke: Tafelwasser, Limonaden und Cola-Mix. Und: Seit dem Sommer vergangenen Jahres sind die Brauer ein kleines Stück weit zu Winzern geraten. Nicht, dass vor der Haustür nun auch noch Rebstöcke stehen. Aber: Das Weingut Höfling in Eußenheim im Kreis Main-Spessart liefert die Basis für den Wiesener Dorfschoppen. Will heißen für Weißwein- und Roséweinschorle. »Die Biertrinker werden immer älter, die junge Generation schielt auch auf andere Getränke«, sind die Elsessers überzeugt. Dementsprechend erfreuten sich die beiden Weinschorlen »großer Beliebtheit«. Die Elsessers berichten zudem von steigender Nachfrage nach alkoholfreien Bieren. Auf deren Produktion, so Florian Elsesser, wolle man darum den »zukünftigen Fokus richten.«

Und natürlich auf das Kerngeschäft: Handwerkliches Bierbrauen nach alter Tradition: Lagerung in zwei Tanks, 7 bis 10 Tage Gär-, mindestens sechs Wochen Lagerzeit. Verwendet werden Rohstoffe aus der Region. Das Braugetreide kommt aus dem Spessart, das Wasser aus der nahen Aubachquelle, erklärt Elsesser.

Besucher des Brauhauses haben die Möglichkeit, den Brauprozess einzusehen. Dank eines so genannten Vorderwandsudhauses, wie Florian Elsässer erklärt. Das heißt: Der Brauer steht nicht über den Kesseln, sondern direkt vor ihnen. Dadurch kann durch eine Sichtscheibe die Verzuckerung der Maische sowie das Kochen der Würze beobachtet werden. Schmuckstück des Sudhauses ist die 50 Jahre alte Steuerung, die anmutet wie ein Stück guter alter Braugeschichte.

Was nicht heißt, dass im Hochspessart Hinterwäldler im Gärkeller stehen. Vielmehr hat das Wiesener Brauhaus sich bei Craftbier-Brauereien einen Namen gemacht. Die fortschrittlichen Kreativbrauer mit ihren Klein- und Kleinstbetrieben finden den Weg aus dem ganzen Land nach Wiesen und lassen dort ihre Rezepturen bierselige Wirklichkeit werden.

In diese Kategorie fällt auch das Mönchsgeheimnis. Ein Bier ersonnen von einem Bruder aus der Franziskanischen Gemeinschaft von Betanien, die im Aschaffenburger Kapuzinerkloster beheimatet ist. Das unterdessen auch in Wiesen gebraute Bier ist in mehreren Super- und Getränkemärkten in Aschaffenburg und Umgebung erhältlich. Wer es kauft, unterstützt ein Kinderdorf- und Schulbauprojekt der Klostergemeinschaft in Brasilien. Vor fünf Jahren fand das Mönchsgeheimnis sogar den Weg nach Rom zu Papst Franziskus. Auf ihrem Peace-Ride beförderten es die Jesus Biker von Aschaffenburg per Motorrad dorthin. Damals produzierte es noch das Brauhaus Bergmann in Glattbach. Ob der heilige Vater es verkostet hat, wurde nicht bekannt.

02.08.2024
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